Bismarck, Bleichröder und Rothschild.

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Wer sich für das nationale Erbe des größten Sohnes der deutschen Nation, Otto von Bismarck, stark macht, der sieht sich schnell mit allerlei Behauptungen und Verleumdungen konfrontiert. Hier nun werden wir mit einers besonders niederträchtigten Behauptung aufräumen: Jene, die den Reichsgründer unter den Verdacht stellt, er habe „mit dem Teufel paktiert“, indem er Preußen und das Deutsche Reich an den Bankier Rothschild verkauft habe. Als Beleg dafür wird angeführt, daß Gerson von Bleichröder, ein Verbindungsmann Rothschilds, der persönliche Vermögensberater Bismarcks gewesen ist.

1. Bismarck und Bleichröder.
2. Bismarck und Rothschild.
3. Fazit.

1. Bismarck und Bleichröder.

Zugegeben, es mag wohl sein, daß Bismarck und Bleichröder ein sehr vertrautes Verhältnis miteinander pflegten, immerhin war Bleichröder mit privaten Vermögensfragen Bismarcks betraut. Und es mag ebenso sein, daß Bismarck Bleichröder seine politischen wie diplomatischen Erwägungen in vertraulicher Atmosphäre mitteilte.

Daraus ableiten zu wollen, daß Bleichröder und damit Rothschild Einfluß auf die Gesetzgebung genommen oder sich gar in Preußen oder dem Reich eingekauft habe, beweist lediglich eines: Die Unkenntnis der staatsrechtlichen Gegebenheiten Preußens sowie des Deutschen Reiches. Fakt ist, daß in beiden Staaten jeweils die Volksvertretung die Kontrolle über die Finanzen und damit auch über Finanzierungen, Kredite und Anleihen besitzt.

Für Preußen bestimmt Artikel 62 der Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850:

Finanzgesetz-Entwürfe und Staatshaushalts-Etats werden zuerst der zweiten Kammer vorgelegt; letztere werden von der ersten Kammer im Ganzen angenommen oder abgelehnt.

Zudem bestimmt Artikel 99:

Alle Einnahmen und Ausgaben des Staats müssen für jedes Jahr im Voraus veranschlagt und auf den Staatshaushalts-Etat gebracht werden. Letzterer wird jährlich durch ein Gesetz festgestellt.

Darin wird also gesagt, daß das Abgeordnetenhaus Preußens, also die aus Wahlen hervorgegangenen Vertreter des Volkes, maßgeblich für die Genehmigung des Etats und damit auch maßgeblich für die Genehmigung von Anleihen und Krediten ist. Beides kann nur auf dem Wege der ordentlichen Gesetzgebung unter Zustimmung der Volksvertretung geschehen. Zudem existiert in Preußen die Staatsschulden-Kommission, die beiden Häusern des Preußischen Landtages gegenüber verpflichtet ist. Demnach konnten weder Bismarck als preußischer Ministerpräsident noch Wilhelm als König von Preußen eigenmächtig Verträge im Namen des preußischen Staates schließen.

Für das Deutsche Reich bestimmt Artikel 69 der Reichsverfassung vom 16. April 1871:

Alle Einnahmen und Ausgaben des Reichs müssen für jedes Jahr veranschlagt und auf den Reichshaushalts-Etat gebracht werden. Letzterer wird vor Beginn des Etatsjahres nach folgenden Grundsätzen durch ein Gesetz festgestellt.

Im Reich wird also analog wie in Preußen verfahren: Ohne Zustimmung der Volksvertreter im Reichstag keine Finanzierung. Auch hier konnte weder Bismarck als Reichskanzler noch Wilhelm als Kaiser eigenmächtige Verträge im Namen des Deutschen Reiches schließen. Zudem existiert eine Reichsschulden-Kommission als Kontrollinstanz, die sowohl dem Bundesrathe als auch dem Reichstag gegenüber verpflichtet ist.

Bismarck vollständige Integrität belegt folgendes Beispiel: Auch 1884 pflegte er als erster und oberster Reichsbeamter die Preußischen Tugenden Unbestechlichkeit und Bescheidenheit:

Bismarck und Rothschild.

Was Bismarcks Verhältnis zum Hause Rothschild selbst betrifft, so mögen folgende zwei Episoden aus seiner politischen und diplomatischen Karriere einen tiefen Einblick darin geben.

Bismarck und Rothschild in Frankfurt.a)

Während seiner Zeit als preußischer Gesandter beim Bundestag in Frankfurt wurde Bismarcks Haus in der Bockenheimer Landstraße zum Sammelpunkt einer auserlesenen Gesellschaft. Hier verkehrten Maler, Bildhauer, Musiker, Schriftsteller und Gelehrte ebenso wie Staatsmänner und andere Notabilitäten¹. Das Bismarcksche Paar hatte hier auch die Ehre, den Prinzen von Preußen als Gast zu bewirten. Hierbei ereignete sich die folgende heitere Episode:

Der hohe Herr erhielt, nachdem er sich bereits bei Bismarck zum Besuch angemeldet hatte, auch die Einladung zu einem Gastmahle im Hause des Geldfürsten Baron von Rothschild, der sich, als er eine absagende Antwort erhalten hatte, persönlich zu dem Prinzen begab, um ihn zu einer Annahme seiner Einladung zu bewegen. Der Prinz erteilte Rothschild endlich den Bescheid, er möge die Sache mit Bismarck abmachen.

Baron von Rothschild eilte nun zu Bismarck, um diesen zu bestimmen, ihm den hohen Gast abzutreten; er könne ja bei ihm mitspeisen, meinte der Geldfürst. Als ihm dies abgelehnt wurde, machte er den Vorschlag, sein Gastmahl in dem Bismarckschen Hause auftragen zu lassen. Doch auch hiermit hatte der Herr Baron kein Glück. Der Prinz von Preußen speiste im Bismarckschen Hause und am Bismarckschen Tische.

¹ Eine Notabilität ist bekannte, berühmte, vornehme, respektable Person/Persönlichkeit.

Bismarck, Rothschild und der Streit über die deutsche Flotte.b)

Widerwärtig und unerquicklich in jeder Beziehung war der Zank über die im Jahre 1848 geschaffene deutsche Nordseeflotte, welcher lange Monate hindurch den Bundestag [des Deutschen Bundes von 1815] in Atem hielt und aus einem hartnäckigen Feilschen um eine unbedeutende Geldsumme allmählich zu einem Streite über die fundamentalen Fragen der ganzen Bundesverfassung heranwuchs.

Die deutsche Flotte jener Jahre war ausgerüstet worden für die damals in nächster Zukunft erwartete deutsche Reichsgewalt [jene, welche aus der Paulskirchenversammlung hervorgehen sollte]. In diesem Sinne hatte Preußen bereitwillig die Zahlung seines matrikularmäßigen Beitrages geleistet und damit den größeren Teil der Kosten geliefert, während Österreich und eine Anzahl der binnenländischen Staaten mit ihren Zahlungen ganz oder teilweise zurückgeblieben waren. Eben an deren Widerstand war dann die beabsichtigte Reichsgewalt in Rauch aufgegangen, die Flotte aber bestand, und über die Aufbringung ihrer Kosten war nun Beschluß zu fassen. Bei den binnenländischen Staaten zeigte sich eine geringe Neigung für die Erhaltung einer deutschen Kriegsmarine; es wurde Einstimmigkeit oder doch Drei-Viertel Mehrheit für jeden Beschluß darüber gefordert.

Jetzt beantragte der preußische Bevollmächtigte Otto von Bismarck, daß für die Unterhaltung der Flotte zunächst die rückständigen Matrikular-Umlagen des Jahres 1848 eingezahlt und verwandt würden. Die im Rückstand verbliebenen Staaten aber wollten davon nichts wissen, und auf ihr Betreiben beschloß der Bundestag am 7. Juli 1851 mit Stimmenmehrheit eine neue Vorschußumlage von 532.000 Gulden. Hiergegen legte Bismarck für Preußen Verwahrung ein, weil nach Bundesrecht die Flotte noch keine organische Einrichtung, und folglich, ganz wie es die Süddeutschen Staaten in Dresden begehrt hatten, für die zu ihrer Unterhaltung notwendigen Beschlüsse Einstimmigkeit erforderlich sei.

Dieser Vorgang wiederholte sich, als gegen Ende des Jahres 1851 die Bundestags-Mehrheit zur Deckung des Ausfalls ein Anlehen bei dem Hause Rothschild aufzunehmen beschloß; auch diese gegen seinen Widerspruch verfügte Maßregel wurde von Bismarck für Preußen als verfassungswidrig und damit nichtig erklärt.

[ Anm. d. Red.: Die deutsche Flotte, hauptsächlich durch Preußen finanziert, wurde dann letztlich mangels Finanzierung versteigert. Dies nahm Bismarck billigend in Kauf, sonst hätte er den deutschen Bund nicht daran gehindert, den Kredit bei Rothschild aufzunehmen. ]

Fazit.

Die Unterstellung, Bismarck habe „mit dem Teufel paktiert“ und seine Machtstellung ausgenutzt, um die Preußen und/ oder die Deutschen zu verraten und zu verkaufen, ist haltlos. Wenn Preußen oder das Reich verraten und verkauft wurden, dann geschah dies unter aktiver Beteiligung des preußischen bzw. deutschen Volkes. Damit ist der Vorwurf des Verrats jedoch ausgeschlossen und der Verdacht eines Verkaufs zwar nicht unmöglich aber insgesamt maximal absurd.

Unsere Urgroßväter haben seinem Andenken also ganz berechtigt Türme und Denkmäler gebaut und sie waren sich sehr bewusst, warum sie das taten:

Ehre und Dank dem Reichsgründer Otto von Bismarck!


Quellen:
a) Fürst Bismarck. Sein Leben und Wirken. Hermann Jahnke. Verlag von Paul Kittel Berlin, 1890.
b) Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Vornehmlich nach den preußischen Staatsacten von Heinrich Sybel, Zweiter Band, Seite 151, 1889.

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